Erfolgsfaktor für Events: Duftmarketing
Multisense Institut Interview mit Elke Kies, Expertin für Duftmarketing und thematische DuftkompositionShanghai Expo 2010
Im deutschen Pavillon inszenierte milla deutsche Lebensart: eine Grillstation im Park, gewürzt mit dem Duft „Barbecue“
Erfolgsfaktor für Events:
„Duftmarketing erhöht Aufenthaltsdauer, Lernfähigkeit und Kommunikationsfreude“
Veranstaltungen zählen zu den idealen Einsatzbereichen für multisensorisches Marketing. Ob Marke, Unternehmen oder Leitthema – inszeniert als stimmiges Erlebnis für alle Sinne potenzieren sich emotionales Involvement, Erinnerungsstärke und Kaufbereitschaft.
MULTISENSORY ENHANCEMENT
Die Neurowissenschaft spricht von „multisensory enhancement“ – jeder zusätzliche, passend integrierte Sinn verzehnfacht die Wirkung. Ein noch rar genutztes, dabei höchst wirkungsvolles Medium, um den Erlebniswert zu steigern und Botschaften zu vertiefen, sind motivierende Düfte und spezifische Gerüche, abgestimmt auf Absender, Zielgruppe und Einsatzzweck. Düfte als Botschafter sind so alt wie die Menschheit selbst. Weihrauch und seine spirituell reinigende Wirkungsdimension. Der Duft der Rosen und die ihnen innewohnende warme Sinnlichkeit. Die belebende Wirkung von Pfefferminz … Selten verfehlen Düfte ihre Wirkung. Denn
Düfte docken an archaische Gehirnbereiche an, die uns bis heute auf der instinktiven, unbewussten Ebene leiten. Schnell, unsichtbar, stark emotionalisierend.
Verführerische Instrumente, die Elke Kies als eine der ersten Expertinnen für Duftmarketing in Deutschland mit Sachkenntnis und feiner Nase zum Einsatz bringt. Mit ihrem Unternehmen MAGIC BOX bietet die spezialisierte Architektin seit 1997 Duftregie in den Bereichen Live-Marketing und Erlebnis-Kommunikation an. Ihr Serviceportfolio reicht von der Duftberatung über die Konzeptentwicklung bis zur Projektdurchführung.
BEGRIFF DUFT-MARKETING
Multisense Institut: Frau Kies, aus Ihrer langjährigen Insiderperspektive: Zieht Duftmarketing an, insbesondere im Bereich Veranstaltungen/Ausstellungen? Wo sehen Sie ggf. die Gründe?
Elke Kies: Da sollten wir zunächst den Begriff Duftmarketing klären: Für mich beginnt Marketing mit einer Strategieentwicklung, in der die Berührungspunkte der Zielgruppe(n) mit einem definierten (Marken-)Duft fixiert werden. Zielsetzung ist, dass der Duft ungestützt erkannt wird und damit die Markenerkennung und -bindung verstärkt. Bei einer Veranstaltung könnte bereits die Einladung ein Scent-Teasing enthalten. Der Eventduft ist die erste Situation zur Wiedererkennung, die mit einem duft-identischen Give-away dann definitiv in ein Lernergebnis überführt wird.
Ohne solche konzeptionellen Überlegungen sollte man eher von Raumbeduftungen sprechen. Wenn Sie in „Wer-liefert-was“ unter dem Suchbegriff „Duftmarketing“ zuoberst Hygieneartikel-Hersteller finden, also Produkte für die WC-Beduftung, wird der Begriff schon diskreditiert, noch bevor Duftmarketing zu einem seriösen Marketingtool geworden ist.
Sprechen wir also zunächst von Dufteinsätzen. Ihre Frage ist nicht mit „Ja“ oder „ Nein“ zu beantworten, denn es bestehen Vorbehalte gegen den großflächigen Einsatz von Düften für Menschenmengen, weil menschliches Duftempfinden als sehr intim und individuell eingeschätzt wird.
Gemäß der aktuellen Riechforschung sind wir aber gar nicht so unterschiedlich in dem, was wir in bestimmten Situationen als passend und positiv empfinden.
Das Gleiche gilt auch umgekehrt. Viele von uns haben schon negative Erfahrungen mit Dufteinsätzen gemacht, zuvorderst weil künstliche Düfte in überhöhter Dosierung und Dauer zu körperlichem Unwohlsein führen. Der bekannte „Kopfschmerzduft“ resultiert aus der Überstrapazierung des Trigeminus durch „amerikanische Dosierung“ und falsch eingesetzte Duftbotschaften. Beispielsweise können Sie bei einer Außendiensttagung nach Tisch keinen Rosenduft kredenzen. Denn dessen Botschaft lautet: „Werde sinnlich“, wohingegen die Teilnehmer aufgefordert sind, konzentriert zu arbeiten. Da ist ein negatives Resultat vorprogrammiert.
Dass uns Kunden mit derartigen Briefings konfrontieren, liegt darin begründet, dass auch Markenprofis in unserem Kulturkreis bisher meist nur geringe Kenntnisse von (Raum-)Duft haben. Wissenschaftliche Untersuchungen zu Duft als Teil der Raumgestaltung oder fundiertes Vorwissen sind noch selten. Der optimale Zeitpunkt für eine olfaktorische Grundausbildung wäre der Kindergarten.
Multisense Institut: Zu Ihren Expertisen zählt die Komposition der Duftaura für Veranstaltungen. Welchen Mehrwert bietet die olfaktorische Gestaltung in diesem Rahmen?
Elke Kies: Da möchte ich vorausschicken, dass die Proklamation des geruchfreien Raums, die sowohl von Allergiker- und MCS-Verbänden als auch in VDI-Klimatechnik-Richtlinien verbreitet wird, an der Realität vorbeigeht. Ein Raum riecht immer irgendwie, und so lange sich das innerhalb erträglicher Parameter bewegt, denken nur wenige Menschen weiter darüber nach.
Unsere Arbeit beginnt oft bei geruchlichen Problemen des Gebäudes selbst oder zu erwartenden Schweißgerüchen, Materialausdünstungen, Geruchsbildung bei warmen, üppigen Caterings usw. Die viel zitierte Arbeit von Anja Stöhr (Airdesign im Handel, 1996) hat bereits belegt, dass Sie im öffentlichen Raum nie so viele Pluspunkte mit guten Düften sammeln können, wie Sie Minuspunkte bei negativer Geruchswahrnehmung der Luft erhalten.
Die Qualität der Luft ist eine Grundvoraussetzung für den Einsatz von Düften.
Der Wert unterschwelliger Beduftung besteht in den Botschaften, die in den Duftstoffen enthalten sind und unmittelbar Signale an die Gehirne der Teilnehmer senden.
Konzentrations- und Kommunikationsförderung oder Harmonisierung und Entspannung werden vorzugsweise mit unaufdringlichen Naturbeduftungen erzeugt. Der Erfolg spiegelt sich hierbei in Verhaltenseffekten wie Aufenthaltsdauer, Lernfähigkeit und Kommunikationsfreude wider.
Es ist auch erwiesen, dass Sie einen Gesprächspartner in einem geruchlich angenehmen Umfeld positiver bewerten, als Sie es ohne dasselbe täten. Die ältesten Regionen unseres Gehirns, in denen die Geruchsverarbeitung stattfindet, sind noch immer sehr aktiv und beeinflussen Emotionen, Erinnerungen und Lernprozesse auch im digitalen Zeitalter ungemindert.
STORYTELLING, THEMENDÜFTE, DIE NASEN DER ZIELGRUPPE
Multisense Institut: Qualitäten, die Düfte und Gerüche auch für das hoch effektive Story Telling im Dienste der Marke empfehlen.
Elke Kies: Erfolgreiche Veranstaltungen vermitteln Marketingbotschaften oft in Form von StoryTelling. Dabei widersprechen aufwändige Dekorationen, die uns in andere Zeiten oder fremde Orte entführen, tendenziell dem aktuellen „GoGreen“-Trend.
Thematische Beduftungen erfüllen hier beide Bedingungen: Sie machen keinen Müll und erzeugen große Authentizität. Kombiniert mit dem richtigen Licht und der Großprojektion entsprechender Moods gelingt es vortrefflich, die Teilnehmer in die gewünschten Schwingungen zu versetzen, ohne dabei alles permanent und intensiv bis in die letzte Ecke zu beduften. Temporär auftauchende Düfte bzw. beduftete Teilbereiche reichen aus, um in den Teilnehmer-Köpfen die richtige Disposition zu erzeugen. Da unterscheidet sich das Medium doch sehr vom Licht, das ebenfalls für die Empfindung sehr wichtig ist, aber eben für die Gesamtdauer einer Wahrnehmungssequenz präsent sein muss.
Multisense Institut: Wenn es um die Nase der Zielgruppe geht – welche Faktoren sondieren Sie, um den richtigen Riecher zu entwickeln?
Elke Kies: Selten wird eine Studie von Johnson&Johnson aus den 90er-Jahren zitiert, in der Frauen unterschiedlichen Bildungsgrades und verschiedenen Alters über sogenannte Raumlufterfrischer befragt wurden – also über diese kleinen „Stinkbomben“, die Sie im Supermarktregal finden. Dabei stellte sich u.a. heraus, dass Frauen zwischen 30 und 50 mit hoher Bildung und entsprechendem Einkommen eine ganz andere Vorstellung von einem angenehmen Raumduft haben als junge Frauen aus einfachen Verhältnissen. Das ist auch nachvollziehbar. Denn wenn Sie in einem Mietshaus wohnen und es dort z.B. im Treppenhaus nach Kohl riecht, verlegen Sie sich eher auf kräftiges Gegenstinken. Hingegen tendierten Teilnehmerinnen, die ihre Terrassentür öffnen und Waldluft einatmen können, vor allem zu „neutraler Luft“.
Allerdings ist die Luft im Wald, am Meer, auf der Wiese ja gar nicht neutral. Aber bezeichnender Weise sind dies die Positiv-Gerüche, die Anja Stöhr als „Most-Liked“ in ihrer Studie ermittelt hat. Mit anderen Worten: Am beliebtesten ist eine natürliche Umgebung, die nicht geruchsfrei ist. Vor diesem Hintergrund zeigt sich zudem die große soziale Komponente von Duft. Nicht umsonst reden wir beispielsweise von „Stallgeruch“. Wir schauen uns die Zielgruppe genau an und unterscheiden sehr deutlich zwischen einer Massenveranstaltung und der Beduftung einer Luxusyacht.
Multisense Institut: Welche Indikatoren gibt es seitens der Zielgruppe, ob Düfte die gewünschte Wirkung entfalten?
Elke Kies: Wird ein passender Duft richtig dosiert, ist der Erfolg schon an den Gesichtern der meisten Teilnehmer abzulesen und – wie wir nach unseren eigenen, bedufteten Messeauftritten immer wieder feststellen – die erinnerungsverstärkenden Eigenschaften von Dufteinsätzen treten sehr deutlich hervor.
Multisense Institut: Wie gehen Sie vor, um einen themenadäquaten Geruch bzw. eine Duftkomposition zu finden, die auf die Veranstaltung einzahlt?
Elke Kies: Zuerst müssen wir im Sinne der Ziel-Definition unterscheiden. Soll ein spezifischer Duft als thematisches Element erkannt werden? Oder ein unterschwellig wohlriechender Raum eine bestimmte Funktionalität erfüllen? Im ersten Fall geht es um die authentische Wiedergabe. Bei positiv besetzen Themen wie Früchten, Landschaften, leckeren Nahrungsmitteln usw. darf ein Duft auch großflächig deutlich wahrnehmbar sein. Was aber, wenn Gerüche wie Kerosin oder Biogas im thematischen Kern auftauchen? Dann muss man diese Gerüche beschönigen oder lokal eindämmen, wie es bei der trockenen Nahbereichsbeduftung geschieht. Auch bei polarisierenden Düften wie Lavendel empfiehlt es sich, spezielle Bereiche für Liebhaber dieses Duftes zu reservieren.
Wenn wir die rein hedonische, also geruchlich positiv anmutende Luft als Zielsetzung definiert haben, ist eine ausgewogene Komposition angezeigt. Eine unserer meist gebuchten Duftkompositionen besitzt wohlbalancierte Aspekte von Zitrus, Minze und Blüten. Sie ist hell und freundlich, erfrischt, stärkt und entspannt zugleich. Jeder Mensch sucht sich aus dieser Komposition den ihm angenehmen Aspekt bzw. das heraus, was er am meisten braucht.
Ähnlich funktioniert auch eine Mischung mit holzigen und krautigen Nuancen sowie Zitrone, die sehr schnell verfliegt, aber die Raumluft reinigt. Nicht zuletzt bestimmt der Ort, die Tages- und die Jahreszeit, das Interieur und die mit der Veranstaltung verbundene Erwartung der Zielgruppe die Ausrichtung der Duftkomposition.
MARKENWERTE ALS DUFT
Multisense Institut: Inwieweit ist es aus Ihrer Erfahrung möglich, Marken- bzw. Unternehmenswerte in eine Duftkomposition zu übersetzen?
Elke Kies: Die einfachste Übung sind Essendüfte, sofern sie sich differenziert darstellen lassen, was bei Kaffee (mit > 600 chemischen, z.T. instabilen Komponenten) eher unbefriedigend gelingt, aber z.B. mit Schokolade einen sofortigen „Will ich essen!“-Reflex auslöst. Hierbei sind Umsatzsteigerungen um mehrere 100 Prozent durchaus realistisch.
Auch ist es relativ einfach, eine bereits emotional aufgeladene Konsum-Marke mit dem passenden Duft zu versehen. Denn hier sind die Parameter der Zielgruppenansprache bereits definiert und müssen quasi nur „übersetzt“ werden.
Vor allem bei technischen Produkten oder reinen Dienstleistungen ist dies wesentlich anspruchsvoller. Hier entscheidet dann meist das vorhandene Budget, ob man gestalterische Eckdaten abfragt und sich ggf. an Visualisierungen im jeweiligen Kontext orientiert.
Jedenfalls wären Unternehmen gut beraten, Duftspezialisten in die Entwicklungsprozesse der Markenaufladung direkt mit einzubeziehen.
Denn über Duft ist die Differenzierung vom Mitbewerber erfolgreicher und kostengünstiger als z.B. über Texte oder Visualisierungen, deren Wirkung er noch toppen kann. In der Praxis wird die Duftkommunikation jedoch meist am Ende einer Kampagnenentwicklung nach dem „Nice-to-have“-Prinzip einfach aufgesetzt, womit man sich ggf. vieler Kontakte und auch optimaler Formate beraubt.
Solange Duftmarketing nicht überall eingesetzt wird, ist es im ersten Schritt nicht unbedingt erforderlich, einen eigenen Corporate Scent zu entwickeln. Ein großer Spielhersteller, dessen Messe-VIP-Lounge wir seit drei Jahren konsistent mit einer guten Raumduftmischung beduften, hat bereits im zweiten Jahr interne und externe Wiedererkennung und Zuordnung zu seiner Marke verzeichnet und muss nicht befürchten, dass dieser Duft in seiner Branche andernorts genutzt wird.
Multisense Institut: Was sind für Sie als Fachfrau die wichtigsten Wirkungseigenschaften von Duft im Marketingeinsatz?
Elke Kies: Es sind Authentizität und Vertrauen sowie Erlebnis und Erinnerung.
Gerne möchte ich dazu Dr. P. Hehn zitieren, der das 2007 so publizierte:
„Wenn ein angenehmer kongruenter Duft im Markenkontext erscheint…
… führt er zu einem positiveren Erleben der emotionalen Befindlichkeit
… ist die Einstellung zur Marke positiver
… beeinflusst er die Markenpräferenz positiv
… beeinflusst er die inhaltlichen Markenassoziationen
… beeinflusst er die Anzahl der Markenassoziationen
… erleichtert er die Zugriffsfähigkeit auf die Markenvorstellungen
… sind die Markenvorstellungen lebendiger, klarer und komplexer
… sind die Markenvorstellungen intensiver und einzigartiger
… wird die Marke als emotional anregender empfunden.“
Um dort hin zu gelangen, brauchen wir Duft-Checklisten außerhalb der Sensorik-Labore, die sich stärker auf das geruchliche Empfinden in Raum und Zeit beziehen. Welcher Duft? Wann und wozu an welchem Ort? Wie viel auf welcher Fläche? Bei welcher Temperatur und relativen Luftfeuchte?… das wären dann die richtigen Fragen.
Teil 2 des Interviews mit Elke Kies folgt in der kommenden Woche.
Veröffentlicht auf www.multisense-institut.de/praxis/duftmarkering/
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